Abseits vom Profi-Mannschaftssport hatten Veranstalter und Athleten im Dezember einen schweren Stand hinsichtlich der Durchführung und Teilnahme an Wettkämpfen. Der SSC Hanau-Rodenbach machte es unter der Corona-Verordnung des Landes Hessen mit dem übergeordneten Ausrichter des Hessischen Leichtathletik-Verbandes (HLV) jedoch möglich, dass zumindest die Bundes- und Landeskader auf Bestzeitenjagd im Straßenlauf gingen. Beim “Profi- und Spitzensport-Einladungswettkampf” des HLV im Rodenbacher Forst dankte es die Laufelite bei ihrem Einsatz über zehn Kilometer mit einem Feuerwerk an Spitzenleistungen, die durch Sven Wagner (USC Mainz/U20), Christoph Schrick (ASC Darmstadt/U18) und Tristan Kaufhold (SSC Hanau-Rodenbach/U16) Niederschlag in den nationalen Jugendrekordlisten finden. Herausragend bei den Erwachsenen war SSC-Läufer Aaron Bienenfeld, der sich über die zehn Kilometer auf 28:31 Minuten und den siebten Platz in der ewigen deutschen Bestenliste steigerte und damit den Grundstein zum Mannschafts-Hessenrekord des SSC Hanau-Rodenbach legte.
Der 23-jährige Langstreckenspezialist fackelte trotz nasskalter Witterung nicht lange, nahm auf der viermal zu durchlaufenden 2,5-Kilometer-Runde gemeinsam mit Ilyas Osman (TV Waldstraße Wiesbaden/U23) den ersten Kilometer in 2:47 Minuten in Angriff und pendelte sich dann unter den Augen der Marathon-Bundestrainerin Katrin Dörre-Heinig bei einem Kilometerschnitt von knapp über 2:50 Minuten ein. Nach 14:13 Minuten bei der Fünf-Kilometer-Marke und 25:45 Minuten bei Kilometer neun zog Bienenfeld dann den Schlusskilometer in 2:46 Minuten zur neuen persönlichen Bestzeit von 28:31 Minuten durch. Damit steigerte er sich innerhalb von acht Wochen um 14 Sekunden und ist auf dem besten Weg in die absolute deutsche Spitze. Rang zwei ging an Osman, der in 28:45 Minuten eisern durchhielt, nachdem er bis Kilometer fünf die Führungsarbeit übernommen hatte.
So galt der Dank von Aaron Bienenfeld nicht nur seinem Verein, aus dessen Reihen Mitglieder die Asphaltstrecke im Wald stundenlang gekehrt und präpariert hatten, um sie den Läufern “wie geleckt” zu präsentieren, sondern auch seinem Tempomacher:”Dass Ilyas extra für mich gekommen ist, um mich bis zur Hälfte zu unterstützen, war eine große Hilfe. Denn die Bedingungen waren natürlich schon wegen der Kälte und Nässe nicht einfach”, so Bienenfeld.
Das wusste auch Katrin Dörre-Heinig zu würdigen, die seine Leistungen von 13:42 Minuten (5000 Meter) und 1:02:31 Stunden (Halbmarathon) gemeinsam mit der neuen Zehn-Kilometer-Bestzeit zum Anlass nahm, ihn für den Perspektiv-Kader des Deutschen Leichtathletik-Verbandes vorzuschlagen. Auch wenn der 10000-Meter-Europacup in 2021 noch am US-Studienaufenthalt Bienenfelds scheitern könnte, so sind doch die EM 2022 in München und als Fernziel die Olympischen Spiele 2024 realistische Ziele für den Allrounder, der das Nationaltrikot bereits bei Cross-EM, Berglauf-EM und 10000-Meter-EM (U23) getragen hat.
Für Ilyas Osman besteht die Herausforderung aktuell in der Gewöhnung an die Erhöhung der Trainingsumfänge auf bis zu 130 Kilometer wöchentlich. “Da ist er zur Zeit nicht mehr ganz so frisch wie sonst, aber dass er heute hier noch bis auf eine Sekunde an seine Bestzeit von Dresden herangekommen ist, ist ein sehr gutes Zeichen”, sagte Trainer Günter Jung.
Mit deutlichem Abstand, aber immer noch mannschaftlich rekordschnell folgten Marius (30:41 Minuten) und Lukas Abele (30:46 Minuten). Gemeinsam mit Aaron Bienenfeld blieben die Brüder in der Teamwertung für den SSC Hanau-Rodenbach mit der Gesamtzeit von 1:29:58 Stunden erstmals in der Historie des hessischen Landesverbandes unter 1:30 Stunden und verbesserten ihren eigenen Rekord um 42 Sekunden.
Schnellstes Jugendrennen in der DLV-Historie
Im Jugendbereich hagelte es gar nationale Bestleistungen: Sven Wagner vom USC Mainz schnappte sich mit 29:46 Minuten den U20-Rekord von Mohamed Mohumed (LGO Dortmund/29:58 Minuten), U18-Läufer Christoph Schrick stellte mit 30:51 Minuten die Marke des Jugend-Europameisters Elias Schreml (LGO Dortmund) ein, und der 14-jährige Tristan Kaufhold lief mit 32:18 Minuten schneller als jeder andere M14-Schüler Deutschlands vor ihm. Dazwischen platzierte sich Jan Dillemuth (TV Assenheim), dessen 31:58 Minuten für einen 16-jährigen Mittelstreckler ebenfalls Seltenheitswert besitzen.
Alleine schon die Zwischenzeiten ließen die Trainer aufhorchen, denn Wagner passierte an seinem 19.Geburtstag die fünf Kilometer in exakt 15:00 Minuten, ehe er mit raumgreifenden Schritt in der Endphase noch deutlich beschleunigte. Mit der gleichen Taktik kam Jan Dillemuth nach 16:04 Minuten zum Erfolg, obwohl er noch nie zuvor einen “Zehner” im Wettkampf bestritten hatte. Und schließlich waren auch der deutsche U18-Meister Schrick (1500 Meter) und M14-Ass Kaufhold Extraklasse. Hatte Tristan Kaufhold Anfang Dezember bereits die nationale M14-Bestmarke im Fünf-Kilometer-Straßenlauf auf 15:43 Minuten gesteigert, ging er nun in 16:04 Minuten an und hielt – ebenfalls bei seinem ersten ernsthaften Zehn-Kilometer-Einsatz – das hohe Tempo fast bis ins Ziel durch.
Für die weibliche Jugend und männlichen Schüler stand ein Fünf-Kilometer-Wettbewerb auf dem Programm. Die Schülerwertung machten die Wetzlarer Tom Stöber (17:31 Minuten) und Finn Regina (17:36 Minuten) unter sich aus, während U20-Nationalkader Svenja Clemens (LG Odenwald/18:16 Minuten) und die deutsche U18-Crossmeisterin Jule Behrens (ASC Darmstadt/18:22 Minuten) die U16-Athletin Vanessa Mikitenko (SSC Hanau-Rodenbach) zur W15-Jahresbestzeit motivierten. Die Tochter von Irina Mikitenko lief mit 18:22 Minuten exakt drei Sekunden schneller als die bis dato gültige deutsche Jahresbestzeit von Lucy Achtel (TUS Leitzkau/18:25 Minuten).
Beeindruckt von der Organisation unter Einhaltung der Corona-Verordnung sowie von den herausragenden sportlichen Leistungen dankte Katrin Dörre-Heinig dem SSC Hanau-Rodenbach für die vorbildliche Ausrichtung der Spitzensport-Veranstaltung. “Darauf können wir zukünftig aufbauen und zurückgreifen, wenn wir weitere derartige Rennen durchführen wollen – gegebenenfalls auch im nationalen Rahmen, falls es in der Olympiasaison als Vorbereitungswettkampf Bedarf geben sollte”, so die Bundestrainerin. Nicht ganz zufrieden kehrte ihre bereits im engeren Marathon-Olympiakandidatinnenkreis gelistete Tochter Katharina Steinruck nach Frankfurt zurück, musste sie den Wettkampf doch vorzeitig beenden: Starken 16:04 Minuten bei der Fünf-Kilometer-Marke folgte kurz darauf ein Wadenkrampf, mutmaßlich bedingt durch das kalte Spritzwasser.
Sascha Arndt