Dieser Marathon ist ein Brocken

Flachlandtiroler Jörn Harland läuft den Brocken-Marathon

42195 Meter sind für jeden Marathonläufer die „selbstverständlichste“ Sache der Welt, immerhin existiert diese „klassische Distanz“ bereits seit den olympischen Spielen 1908 in London und wird jedes Jahr von zahlreichen Ausdauerbegeisterten laufenderweise bewältigt. Was aber macht der Mensch, wenn er sich an Besonderes schon gewöhnt hat ? Er sucht neue Herausforderungen – so wie Jörn Harland, der nach zwei Trail-Einsätzen in Gelnhausen und Blaubeuren nun am Samstag den Brocken-Marathon in Angriff nimmt.

Die anspruchsvolle Strecke führt von Hasserode über Ohrenfeld nach Ilsenburg und dann zum Brocken, dem mit 1141 Metern über Normal Null höchsten Harz-Gipfel, ehe die Langstreckler dann über Schierke zurück laufen – mit jeweils etwa 1000 Höhenmeter bergauf und bergab als zusätzliche Bürde. Dabei geht es nicht einfach nur mal rauf und runter, denn der wechselnde Untergrund, die bisweilen schwierigen Witterungsverhältnisse des an 300 Tagen pro Jahr vom Nebel umwallten „Hexenberges“ und natürlich auch die Streckenlänge in Kombination mit der extremen Beanspruchung durch die kraftausdauerlastigen Anstiege und Gefällpassagen, die mit klangvollen Namensgebungen wie „Eiserner Tisch“, „Brockenbett“, „Steinerne Renne“ oder gar „Knochenbrecher“ bezeichnet sind, lassen die muskulären Strapazen schon im Vorfeld erahnen.

Jörn Harland, mehrfacher deutscher Seniorenmannschaftsmeister im Team des SSC Hanau-Rodenbach, ist zwar einer der vielen „Flachlandtiroler“, die nicht die Möglichkeit zum Training im alpinen Gelände besitzen. Doch der aus Gelnhausen stammende und in Kassel wohnhafte Berufsschul-Referendar hat sich gewissenhaft auf den Gebirgsmarathon vorbereitet. Zunächst punktete er als Vizemeister bei den deutschen Senioren-Berglaufmeisterschaften, die Anfang September just am Brocken stattfanden. Dann rannte er bei zwei Trail-Läufen in Gelnhausen und Blaubeuren mit um den Sieg, ehe er eine zweiwöchige Radtour über den Bodensee in die Schweiz unternahm. „Und dabei habe ich natürlich auch ordentlich Berge trainiert“, erklärte Jörn Harland, der körperlich und mental also auf der Höhe sein sollte.

Wie weit es für ihn beim schwierigsten Wettkampf der Saison 2018 nach vorne gehen kann, ist ungewiss. Für den vielseitigen Athleten ist eine Podestplatzierung machbar, auch wenn Rang eins gegen den Vorjahressieger und Nationalteam-Mitglied Thomas Kühlmann (Wernigerode) außer Reichweite scheint. Jörn Harland hat im Vorfeld seine eigenen Erfolgskriterien aufgestellt: „Ich will alles geben und dabei Spaß haben“ – den tagelangen Muskelkater bekommt er als Zugabe ohnehin.

 

 

 

Zur Person: Jörn Harland, Jahrgang 1981, läuft seit frühester Jugendzeit, zunächst die Mittelstrecken sowie 2000 Meter und 3000 Meter Hindernisse, später zunehmend die Langstrecke bis hin zum Marathon. Er trainierte unter anderem beimTV Gelnhausen, dem PSV GW Kassel und nun beim SSC Hanau-Rodenbach. Seine Erfolgsbilanz umfasst den Gewinn der deutschen Halbmarathonmeisterschaft der Männermannschaft mit der persönlichen Bestzeit von 1:07:52 Stunden, zahlreiche Mannschafts-Hessentitel in der Haupt- und Seniorenklasse und mehrere deutsche M35-Mannschaftssiege im Cross- und Straßenlauf. Den Brüder-Grimm-Lauf gewann er in den Jahren 2009 und 2014, beim Oberrodenbacher Silvesterlauf über hügelige 10,4 Kilometer lieferte er sich packende Duelle mit seinem Vereinskameraden Thomas Seibert und erzielte dabei den damaligen Streckenrekord von 33:05 Minuten. In diesem Jahr unterlag er Seibert bei den deutschen Berglaufmeisterschaften der Senioren M35 am Brocken, holte aber den M35-Mannschaftstitel und Silber mit der zweiten Männermannschaft des SSC Hanau-Rodenbach. Anschließend führte er beim 1.Gelnhäuser Trail-Run die Konkurrenz an, ehe er ausgerechnet in seiner Heimatstadt an einer Kreuzung kurz vor dem Ziel falsch abbog und schließlich Zweiter wurde. Besser hatte er die Strecke beim „Germany4trails“-Lauf in Blaubeuren vor zwei Wochen im Griff. Hier gewann er die 20 Kilometer überlegen und befand anschließend „Daumen hoch“ für den Brocken-Marathon.

Der ausgebildete Diplom-Verwaltungswirt verbrachte mehrere Jahre im Ausland. Er spricht fließend Englisch und Spanisch und befindet sich aktuell in Kassel im Referendariat für Berufsschullehrer.

 

 

 

Der Brocken-Marathon: Der Veranstalter „Harzgebirgslauf“ beschreibt den Brocken-Marathon als Wettkampf mit ganz besonderen Anforderungen. „Es ist mit mehr als 1000 Höhenmetern einer der schwierigsten Ausdauerläufe Deutschland. Nur sehr gut trainierte Läuferinnen und Läufer sollten diese Herausforderungen riskieren. Auf dem Brockengipfel herrscht Hochgebirgsklima. Mit starkem Wind und Wetterumschlag muss gerechnet werden. Für diesen Fall werden am Eisernen Tisch bei Kilometer 17 Schutzjacken für die Brockenpassage ausgegeben“, steht auf der Veranstalter-Website geschrieben, wo auch auf die Möglichkeit einer kurzfristigen Streckenverlegung „für den Fall unzumutbarer Wetterbedingungen“ hingewiesen wird. Spannend bleibt es auch auf dem überwiegend bergab führenden zweiten Sterckenteil, denn schon alleine die Namensgebung der Passage „Knochenbrecher“ beeindruckt. Bereits in den zwanziger Jahren hatte der als Brockenmaler bekannt gewordene Künstler Adolf Rettelbusch einen Weg zum Brockengipfel entdeckt, der von der Kurve der Brockenstraße seinen Ausgang nahm und abseits der Straße zum Gipfel führte. Der sehr steile, unebene und durch unwegsames Gelände führende Weg wurde von Rettelbusch fortan als „Knochenbrecher“ bezeichnet.

Zum Stehen kommen die Teilnehmern nicht nur aufgrund von Verpflegungspausen oder Erschöpfung. Möglich sind unvorhergesehene Laufunterbrechungen durch die Brockenbahn. Kurz vor und nach der Brockenkuppe überquert die Laufstrecke nämlich die Gleise der Brockenbahn. Nähert sich dort während des Wettkampfes ein Zug, wird die Strecke vorübergehend von Sicherungsposten gesperrt. „Den Anweisungen der Posten ist Folge zu leisten. Andernfalls droht die Disqualifikation“, so der Ausrichter.

Den Reiz dieser seit 1990 ausgerichteten Veranstaltung machen aber gerade dieser Unwägbarkeiten und Variablen aus, und so übersteigt die Nachfrage das Teilnehmerlimit von 1000 Startern. 2017 gewann Thomas Kühlmann (Wernigerode) in 2:45:06 Stunden, den Streckenrekord hält seit dem Jahr 2000 Steven Lambeck aus Harzgerode in 2:39:05 Stunden.