Nur Bienenfeld hätte gerne Chance gesucht
Leichtathletik. Mit der Absage der für Ende August angesetzten Europameisterschaften fiel nach den Olympischen Spielen ein weiteres sportliches Großereignis der Corona-Pandemie zum Opfer. Für Lisa Oed und Lukas Abele, die gerade im Anschluss an die nationale Spitze begriffen sind, ist der EM-Ausfall allerdings kein Problem, während Aaron Bienenfeld nach herausragenden Trainingsleistungen gerne im EM-Qualimodus mitgemischt hätte. Insgesamt setzt das Trio des SSC Hanau-Rodenbach nun auf die Zukunft und sieht in der längeren Vorbereitungszeit individuelle Vorteile.
Lisa Oed stand bereits zwei Mal ganz oben auf europäischer Ebene, allerdings im U20-Jugendbereich. 2017 gewann sie die Europameisterschaften im 3000-Meter-Hindernislauf und im Berglauf, 2018 belegte sie als schnellste Europäerin den achten Platz bei der Hindernis-WM. Mit ihrer damals erzielten Bestzeit von 9:57 Minuten waren die nun geforderten 9:45,00 Minuten nicht außer Reichweite, und dennoch sieht sie die Saison 2020 ohnehin als Aufbaujahr. “Die Nachricht hat mich nicht besonders hart getroffen, weil ich schon damit gerechnet hatte. Ich bin eher skeptisch, dass wir überhaupt noch Wettkämpfe in diesem Jahr haben werden. Das gibt mir aber die Zeit viel aufzuholen, und somit bin ich auf jeden Fall sehr motiviert für das Training”, erklärte die Medizinstudentin, die aktuell Wochenumfänge von bis zu 160 Kilometern abspult und dazu noch Rad-, Kraft- und Gymnastikeinheiten absolviert.
Lukas Abele schnupperte mit seiner 1500-Meter-Bestzeit von 3:40 Minuten schon in Richtung diesjähriger EM-Norm von 3:38,00 Minuten und sieht sich aktuell in seiner bislang stärksten Grundlagenausdauer-Verfassung, nachdem er im Training die Überdistanzen von 5000 Metern in 14:48 Minuten und 3000 Metern in 8:28 Minuten abspulen konnte. “Natürlich wäre es cool gewesen in Paris mitzumachen. Aber nach meinem Gefühl habe ich das nächste Mal noch bessere Chancen, denn die Asse wie Timo Benitz oder Marius Probst werden ja nicht jünger und bei mir geht es jetzt gerade ordentlich voran. Die Defizite werden gut aufgearbeitet und wir haben richtig viel im Ausdauer- und Kraftbereich gemacht”, so Abele, der mit seinem Bruder Marius einen fast gleichschnellen Trainingspartner in der eigenen Familie hat und auch in Krisenzeiten nie alleine trainieren musste.
SSC-Rekordhalter Aaron Bienenfeld hatte mit den 5000 oder 10000 Metern geliebäugelt. Kein Wunder, lief er doch in 13:48,57 Minuten Mitte Februar auf einer Hallenbahn in Seattle/USA seine persönliche Bestzeit, mit der ihm damals lediglich gut acht Sekunden zur EM-Norm von 13:40,00 Minuten fehlten. Noch besser klappte es nun über 10000 Meter “im Trainingswettkampf”, als er am dritten Mai 28:55,1 Minuten auf der Uni-Bahn in Cincinnati lief. Konkurrenten um die drei Startplätze des Deutschen Leichtathletik-Verbandes gab es freilich mehrere, doch Bienenfeld hätte zumindest mitgemischt. Denn seine zuletzt im US-Bahntraining absolvierten Meilenläufe von 4:21, 4:21 und 4:18 Minuten mit nachfolgenden 400-Meter-Wiederholungen von deutlich unter 60 Sekunden ließen ihn die Einschätzung vornehmen: “Das war wohl eine meiner besten Trainingseinheiten überhaupt.” Angesichts seiner deutlichen Steigerungen in der US-Hallensaison 2020, in der er unter anderem die 3000 Meter in 8:01 Minuten lief, zählt der SSC-Athlet auch 2021 zum Kreis der EM-Anwärter.
Und vielleicht klappt es ja für das schnelle Trio des SSC Hanau-Rodenbach doch noch in 2020 mit dem einen oder anderen hochwertigen Einsatz auf nationaler Ebene. Denn zumindest nach dem Willen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) soll die deutsche Stadionmeisterschaft Anfang August dieses Jahres über die Bühne gehen. “Die Titelkämpfe sind für den 8. und 9.August und weiterhin in Braunschweig geplant. Ohne Zuschauer – dafür ist eine Übertragung in ARD und ZDF vorgesehen. Nun muss das Ganze nur noch stattfinden. Das hängt natürlich von der Entwicklung des Corona-Virusgeschehen ab”, erklärte ein DLV-Mitarbeiter auf Anfrage.