Rodenbach. Wenn Harry Arndt heute seinen 85.Geburtstag
feiert, kann er sich nach einem wahrlich bewegten Leben beruhigt zurücklehnen.
Der pensionierte Grundschullehrer, der während seines Wirkens an der Hanauer Gebeschusschule
1975 den Schul-Sport-Club SSC Hanau-Rodenbach gründete und in der Folgezeit zu
einem der erfolgreichsten deutschen Nachwuchs-Laufvereine aufbaute, setzte
sportlich und sozial so viele Impulse, dass er 1996 das Bundesverdienstkreuz für
sein integratives und soziales Engagement im Sport erhielt. Es folgten unter
anderem die Sportplakette der Stadt Hanau, der August-Schärttner-Preis, der
Landes-Ehrenbrief Hessens, der nationale DLV-Ehrenschild und 2017 die Ehrenplakette
seiner Heimatgemeinde Rodenbach.
Auch wenn er selbst es nie als „Arbeit“ sah – letztlich absolvierte
der Vollblut-Pädagoge neben und nach seinem schulischen Berufsalltag noch einen
weiteren tagesfüllenden Job für den Sport, oft genug als „erster Diener“ für den
Verein und die nationalen und internationalen Verbände. Dabei war die Tätigkeit
als Nachwuchstrainer im SSC Hanau-Rodenbach seine größte Leidenschaft, denn
wenn er auf den Wegen und Pfaden in der Bulau oder im Rodenbacher Wald „seinen“
Kindern nebenbei noch die Natur und andere Phänomene erklärte, war er ganz in
seinem Element. Dass dabei von Beginn an der seit 1975 in der
SSC-Vereinssatzung explizit festgelegte integrative Aspekt im Wortsinn „mitlief“,
zeitigte neben der ruhigeren Atmosphäre auf dem Schulhof der Gebeschusschule („wer
sich im Sport zeigt, muss sich nicht durch Schlägereien zeigen“ – Zitat Arndt) auch
sportlich bemerkenswerte Erfolge. Bereits 1987 gewann der frühere
Gebeschus-Schüler Haydar Takak als erster Kurde in der Geschichte des Deutschen
Leichtathletik-Verbandes den deutschen Crosslauftitel, dem er – unter anderem
gemeinsam mit seinem türkischen Freund Sahin Duygun – weitere nationale Mannschaftstitel
folgen ließ.
Mit besonderem Stolz erfüllte Harry Arndt das Talent seines Sohnes
Carsten, der ab Mitte der achtziger Jahre neben elf deutschen Jugendtiteln und
mehreren hessischen und deutschen Jugendrekorden im Langstreckenlauf auch
international das Nachwuchs-Aushängeschild des Deutschen
Leichtathletik-Verbandes war.
Das Talent kam allerdings nicht nur vom Vater, der als
Altersklassen-Weltrekordler der Senioren M45 schon 1983 die 100 Kilometer in
6:49:17 Stunden gelaufen war. Auch Sigrid Arndt war vom Laufen so begeistert,
dass sie alle Strecken bis hin zum Marathon lief. Gemeinsam mit Sohn Sascha
funktioniert die Familie immer noch als organisatorisches Zentrum des SSC
Hanau-Rodenbach. Zwar musste Harry Arndt nach mehreren Hirnblutungen ab 2016
den Vereinsvorsitz abgeben, doch dass der vom Ehrenamt geführte Top-Verein
weiterhin bundesweit eine gute Adresse ist, garantieren Nachfolger Sascha Arndt
mit seinen Vorstandskollegen Professor Michael Schrodt, Carsten Arndt, Ilona
Wolf, Geschäftsführerin Sigrid Arndt und den vielen weiteren langjährigen Mitarbeitern
aus dem Großraum Hanau.
Weit über den SSC Hanau-Rodenbach hinaus wirkte und wirkt
sein Einsatz für den Ultramarathonlauf. Harry Arndt war es, der 1985 in seinem
Rodenbacher Haus mit 21 weiteren Gründungsmitgliedern die Deutsche Ultramarathon-Vereinigung
ins Leben rief, die zwischenzeitlich mehr als 1500 Mitglieder zählte, vom
Deutschen Leichtathletik-Verband als maßgebliche nationale Organisation
anerkannt wurde und daher ab 1987 mit der Debütveranstaltung in Niederrodenbach
die deutschen Meisterschaften im 100-Kilometer-Straßenlauf durchführte. Seine
akribische Organisationsarbeit schuf den Rahmen für international vergleichbare
Wettbewerbe, so dass es nach mehreren Europa-Cup-Läufen in Rodenbach in der
Folge zu offiziellen Europa- und Weltmeisterschaften unter IAAF-Patronat kam,
bei denen er die DLV-Teams als Teamleiter zwischen 1988 und 2003 zu mehr als 50
Einzel- und Mannschaftsmedaillen führte. International arbeitete Arndt als
Präsidiumsmitglied im Weltverband der Ultramarathonläufer (Ehren-Vizepräsident
seit 2006), sowie als IAAF-Streckenvermesser und –ausbilder.
Wenngleich Harry Arndt aufgrund seiner gesundheitlichen
Einschränkungen mit Erblindung seit einigen Jahren auf die Pflege durch seine
Ehefrau Sigrid und die Familie angewiesen ist, dreht er immer noch täglich „seine
Runden“ durch Rodenbach und auch auf dem Rundweg im Rodenbacher Waldstadion –
freilich an der Seite seiner Frau und mit Gehstock, „aber Bewegung muss sein,
und ich will ja auch wissen, was unsere Sportler machen.“ Denn sobald die
Sprache auf den SSC und seine Läufer kommt, die er bis 2015 aktiv betreute und nun
genauso interessiert bei ihren Einsätzen verfolgt, entflammt in ihm wieder der alte
Sportsgeist.
Heute gratulieren mit seiner Familie auch vier Enkelkinder,
die naturgemäß im Rodenbacher Haus und Garten ihre Wettrennen veranstalten.
Starter und gemeinsamer Zielpunkt ist – wie könnte es anders sein ? – Opa Harry,
der vor zwei Wochen den fünfjährigen Felix zu dessen Wettkampf-Debüt beim
Altenstadt-Crosslauf ebenso begeistert anfeuerte, wie er zuvor viele hundert
Kinder und Jugendliche während seiner vier Jahrzehnte langen Tätigkeit im SSC
Hanau-Rodenbach begleitet hatte.