Nach starkem US-Auftritt “all in” für die EM in München
Eugene. Aaron Bienenfeld (SSC Hanau-Rodenbach) hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um bei den deutschen Meisterschaften im 5000-Meter-Lauf anzutreten. Obwohl der Student der Universität von Oregon seine kräftezehrende US-Saison vor zwei Wochen mit dem erfolgreichen Doppelstart über 5000 Meter und 10000 Meter abgeschlossen hatte und zunächst in Ruhe trainieren wollte, warf er nun nach Telefonaten mit Bundestrainer Pierre Ayadi sowie seinem Berater beim SSC Hanau-Rodenbach die ursprünglichen Planungen kurzfristig über den Haufen, landet am Freitag in Frankfurt und läuft am Samstag in Berlin um die Qualifikation zur Europameisterschaft. Mit diesem Spagat zwischen Universitätssport auf höchstem Niveau und den Ansprüchen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), der den Start bei der DM als verpflichtende Voraussetzung zur EM-Nominierung erhoben hat, geht Aaaron Bienenfeld leistungsmäßig “all in”, bedeutet die Berlin-Teilnahme doch schon alleine durch die Zeitverschiebung und 24-stündige Anreise puren Stress. Andererseits ist Bienenfeld in der Form seines Lebens. Der 24-jährige deutsche Crosslauf-Vizemeister sorgte bereits im Februar für Aufsehen, als er in der Bostoner Leichtathletikhalle die 5000 Meter ´indoor`als schnellster Deutscher aller Zeiten in 13:21,99 Minuten lief und damit unbewusst seine erste EM-Normerfüllung schaffte. Unbewusst deshalb, weil Hallenzeiten bislang kaum eine Rolle im Nominierungsablauf gespielt hatten, was der Deutsche Leichtathletik Verband für dieses Jahr ohne explizite Unterrichtung von Athleten und Trainern änderte und damit sogar den zuständigen Bundestrainer Pierre Ayadi mehr oder weniger im Unklaren ließ. Trotz der darauf im Frühjahr und Frühsommer folgenden durchweg schwierigen Witterungsbedingungen unterbot Aaron Bienenfeld mit seiner 10000-Meter-Zeit von 28:14,67 Minuten auch die Langstrecken-Norm des DLV. “Wind, Regen und empfindliche Kälte – viel schlechter geht es nicht mehr”, so Bienenfeld, der außerdem unter ähnlichen Umständen die 5000 Meter im Stadion in 13:28,13 Minuten laufen konnte. Auf beiden Strecken qualifizierte er sich damit für die “Nationals”, die US-Studentenmeisterschaften, die von den hochbezahlten Profi-Coaches der Unis als Saisonhöhepunkt eingestuft werden – noch vor internationalen Titelkämpfen wie Europa- und sogar Weltmeisterschaften. Denn nur im Kampf um vordere Platzierungen und entsprechende Punkte bei den Nationals bekommt die jeweilige Universität Reputation und zählbare Gegenleistung für ihre großzügige finanzielle Unterstützung der Sportstipendiaten. So muss auch Aaron Bienenfeld “alles” dafür geben seiner Uni die Investition in ihn durch Leistung zurückzuzahlen, was ihm bei den Nationals im Heimatstadion von Eugene gelang. Zunächst als Achter in einem taktischen Rennen über 10000 Meter mit der Endzeit von 28:19,05 Minuten und nur 48 Stunden später auf Rang 13 des 5000-Meter-Finales in 13:32,13 Minuten – beide Male mit enorm schneller Endphase und inmitten internationaler Spitzenläufer wie Adriaan Wildschutt (Südafrika), dem U23-Europameister Charles Hicks (Großbritannien) oder dem Kenianer Amon Kemboy. “Charles Hicks ist dieses Jahr die 10000 Meter schon in 27:40 Minuten gelaufen, ich war jetzt nur zwei Sekunden hinter ihm. In einem echten Temporennen bleibe ich sicher unter 28 Minuten”, steckte Aaron Bienenfeld direkt nach dem US-Studentenmeisterschaften den Rahmen ab. Nur: Dieses Temporennen wird es vor der EM in München mangels Angebot nicht mehr geben, so dass er in der DLV-Rangliste auf Platz sechs verharrt. Und so hatte er sich ursprünglich für einen späteren Angriff auf die 5000-Meter-Bestzeit im Juli entschieden, zumal er im Mai dreimal pro Wochenende 10000 Meter und 5000 Meter gelaufen war, was den Körper Substanz und Form kostet. Dann jedoch folgte am Montag der Anruf von Bundestrainer Pierre Ayadi, der ihm Überraschendes mitteilte: Dass er nämlich aufgrund seiner 5000-Meter-Hallenbestzeit und als Nummer drei der kombinierten DLV-Jahresrangliste “zu 90%” bei der EM-Nominierung des DLV dabei sei, wenn er denn bei der DM in Berlin als Pflichtveranstaltung anträte. Falls nicht, könnte ihm der aktuell mit der vierten EM-Normzeit von 13:22,66 Minuten hinter ihm platzierte Maximilian Thorwirth (Düsseldorf) schon alleine durch seine Anwesenheit diesen Platz nehmen. “Auch wenn er nach seiner Corona-Infektion nur in 15 Minuten ins Ziel joggen würde, wäre Thorwirth wohl mit dabei – da sind die DLV-Vorgaben mit der DM-Startpflicht klar formuliert, während ich bei anderen Passagen zum besseren Verständnis durchaus nachlesen musste”, so Ayadi. Zunächst überzeugte diese Argumentation Aaron Bienenfeld nicht. “Ich muss hier vieles regeln, von Abschlussprüfungen über Wohnungsauflösung bis hin zum Cross-Startrecht für den Winter – da kann ich nicht einfach weg, so gerne ich bei deutschen Meisterschaften laufe”, erklärte er am Montag Abend. Aber die Europameisterschaftsteilnahme im eigenen Land war dann doch zu verlockend, zumal der SSC Hanau-Rodenbach mit seinen Unterstützern die entstehenden Kosten für Hin- und Rückflug des Spitzensportlers abdeckt. So sattelte Bienenfeld nach eigen Stunden Bedenkzeit um und brachte es auf den Punkt: “Das ist eine einmalige Chance zur EM-Teilnahme im eigenen Land. Freitag landen, Samstag starten, Sonntag hoffentlich für die EM nominiert sein und dann baldmöglich zurück in die USA.”